Am Montag habe ich einen Artikel im DerStandard gelesen, durch den ich auf windowsähnliche Distributionen aufmerksam wurde. Eine kleine Voraussetzung, um mir einen eventuellen Umstieg schmackhaft zu machen. Die Rede war dort von ZorinOS. In den Kommentaren ging es dann auch um MintOS. Da mein alter Dell Desktop für Win11 nicht geeignet ist und ich sowieso schon länger mit einem Paradigmenwechsel liebäugle, habe ich die aktuelle Freizeit, bevor ich meine neue Arbeit antrete, dafür genutzt, ZorinOS zuerst als Lifesystem auszuprobieren und dann, nach einer kurzen Bedenkzeit von etwa 15 Minuten, aufzubügeln. Ohne mir die Tür offen zu lassen, zu Windows zurückzukehren. Festplatte formatiert, neue Partitionen angelegt und Linux aufgebügelt. Burning the bridges, baby!
Meine ersten Versuche mit Linux sind rund 20 Jahre her, und da gab es diese SUSE Edition auf sechs oder sieben CDs, und da war es angebracht, bei der Installation einige eiskalte Dosen Bier zu trinken. das hilft zwar nichts, aber es ist einem egal, was sich am Bildschirm abspielt. Eine andere Distribution, zu der mir mein damaliger Vorgesetzter beim COMNET riet, war Red Hat. Meine Güte, ich hatte gerade den ECDL und arbeitete beim COMNET als Hilfasarbeiter in der Netzwerktechnik - Ports testen und so. Linux überforderte mich so, dass ich geradezu beleidigt zurückwich.
Einer der Gründe, warum ich jetzt auf Linux umsteige, ist eine generelle Unzufriedenheit, die im Film Der Schuh des Manitou im Satz "Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden!" zusammengefasst wird.
Ihr wisst ja, die Szene am Marterpfahl:
"Leck mich doch am Arsch!"
"Ja wie denn?"
Wenn ich meine Tätigkeiten am PC kritisch überblicke, sehe ich, dass ich etwa sechzig Prozent quasi im Browser lebe, also Firefox. Ich schreibe und erhalte Emails: Evolution. Ich schreibe Romane. Okay, das ist griffiger. Ich könnte Papyrus Autor über Wine zum Laufen bringen, nur sieht das dann potthässlich aus. Ja, ich habe mal einen Haufen Geld dafür bezahlt, vertrete aber die Ansicht, dass der Kauf eines Produkts niemals den Käufer ans Produkt fesseln darf. Also schreibe ich jetzt alle Texte, die ich weitergeben will, mit Libreoffice. Das Programm ist ziemlich monströs für meine Bedürfnisse, läuft aber sehr stabil und schnell, und nach ein wenig customization sieht es auch brauchbar leicht aus.
Daneben habe ich die Pakete für Obsidian und LogSeq gefunden und installiert. Auch das läuft wie geschmiert.
Derek Sivers, ein US-Schriftsteller, der jetzt in Neuseeland lebt, brachte mich (wieder einmal) auf die Idee, überhaupt alle Texte als Plaintext zu speichern, um unabhängig zu sein von proprietären Formaten. Das liese sich sehr schön über Obsidian realisieren, mit dem ich diesen Text original verfasst habe.
Dann habe ich mein Cloudservice installiert, und zwar, wie die meisten Apps, die ich nachinstallieren musste, ganz easycheesy über die Commandline:
> peter@pna1: sudo apt install appname
Und wenn mir etwas nicht mehr gefällt:
> peter@pna1: sudo apt remove appname
Die drei oder vier Apps, die ich brauche, laufen pipifein. Den Großteil erledige ich im Browser, und das Dateimanagement ist watscheneinfach. Bisher (gut, gut, es sind erst viert Tage) habe ich keine Sekunde zurückgeblickt zu Win10.
Die neuen Linux Distributionen, vor allem die, auf Debian basieren, erleichtern den Umstieg ganz erheblich. Es ist schon wahr, dass man bei Linux doch immer mal ein wenig frickeln muss, aber es findet sich leichter als bei Windows für alles eine Lösung. Die Community ist groß, zeilweise rotzfrech, aber immer hilfsbereit, wenn man nicht gerade den arroganten Arsch gibt.
Mir gefällt auch die Welt, zu der ich gerade die Tür aufgestossen habe. Sie ist aufregend, neu und schön und auch ein bißchen ... ja, sexy. Der Paradigmenwechsel, den ich gerade durchnehme, fühlt sich an, wie das Lernen einer neuen Sprache, die irgendwie durch ihren Klang und den Gebrauch der syntaktischen Möglichkeiten stärker als die Sprache, die man kennt, Emotionen evoziert.
Ich lernte vor mehr als 30 jahren spanisch, weil ich mich auf Gran Canaria unsterblich in einen wilden Tänzer in Las Palmas verliebt hatte. Mich jetzt in Linux einzuarbeiten, ruft nostalgische Gefühle wach. Nein, es ist nicht genau so wie sich verlieben. Es ist das Gefühl eines Aufbruchs, ein schönes Wagnis.
Also Linux Mint: Ich komme gerade aus der Kathedrale. Was hast Du vom Basar zu berichten?